Paul Domberger hat die Rhinos vor sieben Monaten Richtung Ghana verlassen um dort ein soziales Jahr zu absolvieren. Wir haben ihn nun gebeten uns in einem kleinen Bericht an seinem Leben fernab der Heimat teilhaben zu lassen.
“Land der Berge, Land am Strome, Land der Äcker, Land der Dome…“, ist das erste, das ich morgens höre. Patriot? Nein, mein Wecker! Etwas eigen vielleicht, aber immerhin, er wirkt. Spätestens beim “Heimat bist du…“ wo ich mich fragen muss, ob ich gleich Söhne oder Töchtersöhne mitdenken soll, bin ich wach genug, um zumindest einmal daran zu denken, nach dem Handy zu greifen und den Morgenalarm zu unterbrechen. Irgendwo zwischen “vielgeliebtes“ und “vielgerühmtes“ schaff ich es dann meistens, den größten Feind meines Halbschlafes auf schlummern zu stellen und mich noch einmal umzudrehen. Aber wie alle anderen weiß auch ich es: Schlummern ist nicht für immer. Immerhin bleiben mir 5 Minuten Zeit, einmal meine Gedanken zu ordnen. Wieder einmal habe ich trotz meines Moskitonetzes zwei neue Stiche abbekommen. Ich weiß noch immer nicht, wieso genau ich die ganze Zeit gestochen werde… Wie auch immer, als Ausgleich werde ich heute im Laufe des Tages mindestens zwei dieser Mistfiecher erledigen müssen. Aber genug von meinem persönlichen Rachefeldzug gegen diese hinterlistigen Blutsauger. Schließlich liegt ein ganzer Tag vor mir. Ein Tag in einer Welt, die mir vor 6 Monaten noch völlig fremd erschienen war. Doch seitdem ist viel passiert. Mittlerweile weiß ich, dass man, wenn man joggen gehen will das vor 8 Uhr morgens tun sollte, weil die Kraft der Sonne später zu stark ist. Ich weiß auch, dass man nachts auf die Straße gehen kann, ohne sofort überfallen zu werden. Und ich weiß, dass Malaria nicht sofort lebensgefährlich ist, denn sonst wäre ich schon 3mal tot.
Mit dem Bungalow in dem wir vier Volontäre für ein Jahr leben, haben wir eine Ziege und zwei Katzen geerbt. In der Zwischenzeit haben wir unseren Tierpark um einen Hund, 2 Schweine (eines davon schon geschlachtet) und 4 Hennen, die mittlerweile schon für 11fachen Nachwuchs gesorgt haben, erweitert. Morgens heißt es da also erst einmal Tiere versorgen, bevor für uns einmal an Frühstück zu denken ist. Für 1 Ghana-Cedi (ca. 25 Cent) hat man für ein vollwertiges Frühstück die Wahl zwischen Kenkey (eine Art Maisknödel) und Porridge (dünnflüssiger Maisbrei mit Zucker).
Vormittags heißt es für mich dann Unterrichten. Mathematik. Auf Englisch. Da trifft man schon auf so manche Herausforderung. Vor allem wenn man bedenkt, dass viele meiner SchülerInnen nicht Englisch als ihre Muttersprache erlernt haben. Außerdem ist das was in Ghana als Englisch bezeichnet wird von Grammatik und Aussprache nur wenig mit dem zu vergleichen, was wir British English nennen. („ask“ heißt zum Beispiel „aks“). Doch auch wenn die Lernmoral mancher SchülerInnen zu wünschen über lässt genieße ich das unterrichten und kann auf jeden Fall viel dabei lernen.
Mittags gibt’s dann wieder um unter 1€ eine Mahlzeit in Form von Fufu oder Banku. In beiden Fällen handelt es sich um relativ geschmacklose Klopse aus Kochbananen & Cassava (eine Art Kartoffel) bzw. Mais. Diese werden in verschiedenen Suppen, die dem Essen den Geschmack geben serviert und mit den Fingern gegessen. Wer sich nicht mit diesen doch ein wenig gewöhnungsbedürftigen Speisen verträgt, ist mit Reis und Nudeln gut bedient.
Der Rest des Tages wird mit Hausarbeit, Sport, oder ausgiebigen Einkäufen am Markt in Sunyani gefüllt. Bei letzterem spürt man die Entschleunigung der ghanaischen Welt am Stärksten. Für einen durchschnittlichen Lebensmitteleinkauf geht schon einmal locker ein Nachmittag drauf. Zuerst geht’s mit Taxis, die überall im Land die öffentlichen Verkehrsmittel ersetzen in die Stadt. Die zehnminütige Fahrt in den oft abenteuerlich wacklig aussehenden Autos kostet in etwa 50 Cent. Es kommt auch nicht selten vor, dass man während der Fahrt das Taxi wechseln muss, weil das eigene den Geist aufgibt. Nach einer Fahrt, für die man in Österreich mindestens 20 Strafzettel bekommen hätte, gilt es sich in einer Ansammlung von Marktständen zurechtzufinden. Übrigens gibt es hier in Sunyani außer uns praktisch keine Weißen. Deshalb sind wir schon allseits bekannt und werden andauernd von “Obruni“-Rufen (“Weißer“ in der Landessprache) begleitet. Preisschilder sucht man hier vergebens. Wieviele Cedis man im Endeffekt für ein Produkt ausgibt kommt oft auf das Verhandlungsgeschick des Einzelnen an. Nicht zuletzt, weil viele der Marktfrauen probieren, den weißen “Touristen“ den einen oder anderen zusätzlichen Schein aus der Tasche zu ziehen. Hier wird die weiße Hautfarbe generell mit Reichtum verbunden. Und die Wahrheit ist: Auch wenn wir sehr sparsam (z.B. ohne Warmwasser) leben, ist unser Lebensstandard im Vergleich zum Durchschnitt trotzdem noch relativ hoch. Von Zeit zu Zeit fällt es mir echt nicht leicht zu sehen, wie manche Leute hier leben müssen. Und dann bewundere ich, wie glücklich sie dennoch wirken. Es wird zusammen gelacht, gesungen, getanzt und gebetet. Letzteres, die Religion, nimmt einen wichtigen Platz in der Gesellschaft ein. Auch wir gehen 3mal wöchentlich in die Messe, die, wenn sie in der Landessprache “Twi“ abgehalten wird mit ihren 2-3 Stunden schon manchmal ganz schön lang werden kann.
Ich möchte die Zeit, die ich hier noch habe genießen und noch viele spannende Erlebnisse meinem Tagebuch hinzufügen können. Das bisherige Top-Erlebnis war für mich persönlich die Icecold-Challange. So nennt man hier einen 3 Meter langen Barfuß-Pfad aus glühend heißen Kohlen. Leider gibt es davon kein Beweisfoto und ich wollte mir kein zweites Mal “kalte Füße“ holen. Auch wenn ich gerne hier bin, freue ich mich schon wieder auf eine Leberkässemmel, Klopapier, das sich gut abreißen lässt und vor allem auf meine Freunde und meine Famile.
Bis bald aus Odumase, Sunyani, Brong Ahafo Region, Ghana, West Africa.